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In zahlreichen Gesprächen mit Freunden und Bekannten im Laufe der letzten drei Jahrzehnte ist mir eines bewusst geworden: Was für den einen Freundschaft bedeutet, muss noch lange nicht für den anderen Freundschaft ausmachen. So haben wir nun alle unterschiedliche Vorstellungen von Freundschaften und wohl auch Bedürfnisse, die Freunde erfüllen sollen. Gibt es also gar keinen Konsens und ist es eher Glück, ob ich den richtigen Freund oder die richtigen Freunde bekomme? Oder kann man gezielt Freundschaften bauen? Muss ich das denn überhaupt oder kann ich als Christ nicht ganz gut mit meinem Jesus allein dieses Leben meistern?
Lebe ich eigentlich mehr diese „Online-Freundschaften“ als die „Face-to-Face-Beziehungen“?
Zuerst einmal habe ich mich gefragt, wodurch unser Bild von Freundschaften überhaupt geprägt ist. Sind es die sozialen Netzwerke und unsere virtuellen Freunde, die unser Bild von Freundschaft prägen? Lebe ich eigentlich mehr diese „Online-Freundschaften“ als die „Face-to-Face-Beziehungen“? Ist der Wert meiner Freundschaft von öffentlicher Anerkennung und Lob oder von negativer Bewertung oder gar Missachtung abhängig? Letztens bin ich einem Freund begegnet, der mich abgelenkt durch den Blick der heutigen Generation nicht wahrnahm: gesenkter Kopf zum Handy. Hätte ich ihn nicht persönlich laut angesprochen, hätte er beinahe seinen realen Freund durch einen virtuellen Freund verpasst. Kann es sein, dass wir durch Scheinfreundschaften in den sozialen Medien wahre Freundschaften verpassen?
Du bist als Teamplayer geschaffen und nicht als Solokünstler.
Warum sind denn nun aber Freundschaften überhaupt wichtig? Die Antwort finden wir in Gottes Wort. In 1. Mose 1,26–27 lesen wir, dass Gott den Menschen nach seinem Ebenbild als Mann und Frau schuf. Und später in 1. Mose 2,18 lesen wir zum ersten Mal in der Bibel: „Es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei …“ Jetzt magst du diesen Vers bisher zunächst auf die Ehe bezogen haben, und dies ist auch nicht falsch. Aber dieser Vers zeigt vor allem auch, dass wir als Beziehungswesen geschaffen wurden. Im NT finden wir immer wieder das Bild vom Leib Christi (1.Kor 12 u. a.). Wir sind zusammen ein Leib und brauchen einander, um vollständig zu sein. Es war, ist und bleibt also Gottes Idee, dass wir in Freundschaften und Beziehungen miteinander leben und wachsen. Du bist als Teamplayer geschaffen und nicht als Solokünstler.
Prediger 4,12 malt uns das Bild von der dreifachen Schnur, die widerstehen kann und nicht so schnell zerreißen wird. In welcher Situation hat der Feind Jesus versucht? – Als er alleine war und schwach erschien. Wenn Satan beim Sohn Gottes eine Chance sah, ihn zu Fall zu bringen, dann können wir sicher sein, dass er es auch bei uns versuchen wird. Isolation ist eine feindliche Strategie, um uns ins straucheln zu bringen.
Bin ich ein fordernder Freund oder investiere ich gerne in die Freundschaft und bringe mich selbst aktiv ein?
Da wir nun vielleicht gemeinsam den Wert von Freundschaften noch etwas klarer erkannt haben, können wir uns mit den Erwartungen an eine Freundschaft beschäftigen. Sind meine Erwartungen realistisch, oder habe ich Ansprüche an Menschen, die nur Gott erfüllen kann und die mein Gegenüber erwürgen? Bin ich ein fordernder Freund oder investiere ich gerne in die Freundschaft und bringe mich selbst aktiv ein, weil ich erkannt habe, dass es nicht zu allererst um die Befriedigung meiner persönlichen Wünsche geht? Wir sollten uns auch fragen, ob wir unsere Freundschaften auf gleicher Ebene leben wollen als Gegenüber auf Augenhöhe; ich bin weder der Dominator noch der Unterwürfige. Ich will dich an dieser Stelle ermutigen, einmal darüber nachzudenken, wie du deine bisherigen Freundschaften gelebt hast und was eventuell sehr egoistisch oder auch unausgeglichen war? Wenn wir wirklich tiefe Freundschaften leben wollen, dann müssen wir in eine oder wenige Freunde viel investieren. Es wird Zeit und Kraft kosten, um eine vertrauensvolle Tiefe zu bekommen; aber alle Mühe wird sich lohnen.
So ist es wichtig, eine Meinung darüber zu haben, wer uns prägen darf.
Gibt es nun Kriterien für Menschen, die überhaupt nur als Freunde für mich in Frage kommen? – Wir sollten uns hier bewusst machen, dass nicht nur wir unsere Freunde prägen, sondern sie auch uns. So ist es wichtig, eine Meinung darüber zu haben, wer uns prägen darf. 1. Timotheus 3 und Titus 1 geben uns meines Erachtens eine Aufzählung von Menschen, die nicht gerade als gute Freunde in Frage kommen sollten: Hitzköpfe, Säufer, Rebellen, Egoisten, Schläger, Ungastliche, Verschwender usw. Wir haben den Auftrag, jeden Menschen zu lieben, und das wollen wir auch tun. Aber als unseren engsten Freundeskreis sollten wir Menschen in unserer Nähe haben, die den gleichen Geist in sich haben wie wir selbst. Jakobus 4,4–5 und andere Stellen belegen dies.
Ich möchte uns drei Typen von Menschen anhand von Davids Leben vorstellen, die uns als Freunde sehr gut tun könnten. Dies dürfen gerne drei unterschiedliche Menschen sein, aber vielleicht sind auch in einem oder zwei Freunden alle drei Typen vorhanden.
- Samuel: der Freund, der mehr in DIR sieht und die göttliche Perspektive auf DEIN Leben hat
- Jonathan: der Bruder für die Not, der immer zu DIR steht (Spr 17,17)
- Nathan: Der Freund, der DICH korrigieren darf
Davids Berufung war, König von Israel zu werden. Aber man sah das dem Schafe hütenden Teenager nicht automatisch an. So brauchte es Samuel, der von Gott persönlich Davids Berufung kannte und sie über seinem Leben aussprach. Wer ist der Freund, der unsere göttliche Berufung kennt? Wir benötigen ihn dringend. Gerade in den Zeiten, in denen wir alles in Frage stellen, hilft und benötigen wir seinen Zuspruch.
Jonathan widerlegte den Volksmund, der sagt: „Blut ist dicker als Wasser“. Er war als Bruder für die Not geboren und war an Davids Seite, als dieser ganz alleine war. Er schützte seinen Freund vor dem eigenen Vater. Wo ist der Freund, der zu uns steht, wenn alle anderen uns längst verlassen haben?
Als David Ehebruch und Mord begangen hatte, war er weit von Gottes Herzen entfernt. Unser liebender Vater gebrauchte aber Nathan, damit David seine schwere Schuld sehen und umkehren konnte. Wir brauchen einen Nathan in unserem Leben, der uns hilft, auf Gottes Spur zurückzukommen, wenn wir uns verrannt haben.
Folgende Fragen sind mir bei der Auswahl meiner Freunde wichtig geworden: Helfen mir meine Freunde, Jesus nachzufolgen? Helfen mir Freunde auf, wenn ich hinfalle? Erweitern Freunde meine von Gott empfangene Vision, oder ersticken sie diese? Lassen sie mir Freiraum, oder vereinnahmen sie mich?
Erlaube deinem Freund, DICH zu spiegeln.
Abschließend möchte ich noch etwas zum Thema Rechenschaft sagen: Wir brauchen Freundschaften, in denen wir rechenschaftspflichtig sind. Es liegt ein großer Gewinn für unser geistliches Wachstum in Freundschaften, in denen wir uns gläsern für unseren Freund machen. Erlaube deinem Freund, DICH zu spiegeln. Die Botschaft, die unser Leben aussendet, ist bedeutend kraftvoller als unsere Worte. „Was Du bist und lebst, redet so laut, dass ich nicht mehr hören kann, was du sagst.“ Wer darf die Inkongruenz zwischen Gesagtem und Gelebtem aufdecken?
Jesus möchte uns mit tiefen Freundschaften beschenken – und dennoch fallen sie nicht vom Himmel. Es benötigt unsere Bereitschaft und Ausschau nach solchen Menschen, die mir ein Gegenüber sein können und wollen, damit sie mich und ich sie näher zu Jesus bringe, um unser himmlisches Zuhause sicher zu erreichen. Lasst uns diese Freundschaften in guten Zeiten bauen, damit sie uns in schweren Zeiten tragen.