Beten wie Jesus!?

„Wenn ihr Herz jedoch danach hungert, dass Seelen gerettet werden und sich ihr Land Gott zuwendet, dann ist ein Leben des Gebets ein Muss.“ So sagt es Yonggi Cho in seinem Buch Gebet – Schlüssel zur Erweckung. Als meine Frau und ich vor wenigen Jahren in Seoul gewesen sind, wurden wir Zeugen dieser gebetsdurchtränkten und erweckten Gemeinde, in der es normaler Alltag ist (besonders für die Leiter), mindestens eine, meist mehrere Stunden täglich im Gebet und Studium des Wortes Gottes zu verbringen. Viele Christen sind auf dem Gebetsberg ganze Wochenenden ausschließlich im Gebet. Da kann man als Europäer schnell denken: „Das tut der Heilige Geist in Südkorea. Bei uns wirkt er anders.“ Aber was sagt die Bibel über das Gebet?

„Und frühmorgens, als es noch sehr dunkel war, stand er auf und ging hinaus und ging fort an einen einsamen Ort und betete dort“.

Jesus war selbst ein Beter. Wie viel Gebet hinter all dem steckte, was er tat, sagte und bis zum Kreuzestod durchlitt, merkt man erst beim genauen Lesen der Evangelien. Dort heißt es: „Und frühmorgens, als es noch sehr dunkel war, stand er auf und ging hinaus und ging fort an einen einsamen Ort und betete dort“ (Mk 1,35). Er ging „auf den Berg, um zu beten“ (Mk 6,46) und verbrachte vor der Auswahl seiner Apostel „die Nacht im Gebet zu Gott“ (Lk 6,12). Jesus lehrte das Beten (Mt 6,5–15), ermutigte, ermahnte zum Gebet (Mt 9,38; Mk 9,29) und gab viele Verheißungen für die aktiven Beter (Mt 7,7–8; 18,19; 21,22). In Bezug auf den Tempel rief er aus: „Mein Haus wird ein Bethaus genannt werden“ (Mt 21,13). Gebet war die Kommunikation mit seinem geliebten Vater, die Quelle der Inspiration, der Kraft, Weisung und Weisheit. Es war der Ausdruck seiner kompletten Abhängigkeit vom Vater und dem Heiligen Geist. Jesus nahm sich zwar spezielle Zeiten des Gebets, aber darüber hinaus spürt man, dass er betend lebte. Er war ein Beter im wahrsten Sinne des Wortes. Und wir nennen ihn unser Vorbild!

Beten lernen

Die Jünger merkten, dass seine Gebete ganz anders waren als die der Heuchler, und baten ihn deshalb, ihnen Gebetsunterricht zu geben. Aber Gebet lernt man so nicht. Ihnen fehlte noch der Heilige Geist! Dafür mussten sie zuerst in den völligen Zerbruch kommen, Jesus allein lassen, große Enttäuschungen erleben, ins Alte zurückkehren und wieder fischen gehen. Da waren sie nun, die „Helden“, die so viele Pläne und Erfahrungen hatten und auch ausreichend Finanzen besaßen. Diese Gläubigen waren am Ende, verzweifelt, hoffnungslos. Genau richtig, dass ihnen der Auferstandene erscheint, ihren Glauben stärkt und ihnen Mut macht: „Aber ihr werdet Kraft empfangen, wenn der Heilige Geist auf euch gekommen ist; und ihr werdet meine Zeugen sein, sowohl in Jerusalem als auch in ganz Judäa und Samaria und bis an das Ende der Erde“ (Apg 1,8). Aber vorerst sollten sie in Jerusalem warten (V. 4). In einem Obersaal trafen sich die Hundertzwanzig über zehn Tage zum Gebet (V. 14), und dann kam der Heilige Geist. Sie alle wurden mit ihm erfüllt (Apg 2,4), sprachen in anderen Sprachen und verkündigten das Evangelium. Was geschah dann? Die zigtausend Gläubigen „verharrten aber in der Lehre der Apostel und in der Gemeinschaft, im Brechen des Brotes und in den Gebeten“ (V. 42). Das Gebet war Teil des Gemeindelebens, und zwar durch das Wirken des Heiligen Geistes – dem Geist, der auch in Jesus tätig war und ihn ein Beter sein ließ. Jetzt waren auch sie zu Betern geworden. Etwas später ist von der „Stunde des Gebets“ die Rede (Apg 3,1). In Kapitel 4, im Angesicht der Drohungen gegen die Apostel, erhob die Gemeinde „einmütig ihre Stimme zu Gott“ (V. 24). Die Gemeinde war auf Gebet gegründet und vom Gebet durchtränkt, vor allem die Leiter (Apostel): „… wir aber werden im Gebet und im Dienst des Wortes verharren“ (Apg 6,4).

Wie beten

Wie sieht es heute bei uns aus? Bei mir? In meiner Gemeinde? In unserem Land? Wir wollen doch mehr vom Heiligen Geist, wünschen uns geistliche Aufbrüche, Erweckung, das, was man von der Urgemeinde weiß und woanders sieht. Aber egal was wir tun, planen, organisieren, studieren, nachahmen oder von Menschen erwarten: Ohne Gebet, wie Gott es will, werden wir seine Herrlichkeit nicht erleben.Gott will uns wieder in Abhängigkeit von ihm haben, zerbrochen und unserer Unfähigkeit bewusst, zu ihm schreiend und unsere Sünde bekennend. Wenn wir da sind, dann wollen wir auch wirklich beten, und dann lernen wir auch beten (2.Chr 7,14–15). Dann werden wir sehen, wie Gott das tun wird, was wir nicht tun können.

Die Apostel beteten für die Gläubigen und ermahnten sie, am Gebet festzuhalten.

Wir charismatischen Pfingstler müssen uns ernsthaft die Frage stellen, ob wir in Bezug auf das Gebet dem Geist Gottes wirklich gehorsam sind oder ihn betrüben. Die Christen der verfolgten Urgemeinde haben für freie und mutige Verkündigung des Wortes Gottes, für Heilungen, Zeichen und Wunder gebetet (Apg 4,30–31), nicht für ein besucherfreundliches Evangelium und anziehende Gemeindegebäude. Sie beteten mit Flehen, Fürbitten und Danksagungen „für alle Menschen, für Könige und alle die in Hoheit sind“ (1.Tim 2,1–2), und nicht für sich selbst und ihre persönlichen Bedürfnisse. Paulus sagt: „Dies ist gut und angenehm vor unserem Retter-Gott, welcher will, dass alle Menschen gerettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit kommen“ (V. 3–4). Die Apostel beteten für die Gläubigen (Kol 1,3) und ermahnten sie, am Gebet festzuhalten (Kol 4,2; 1.Thes 5,17). Tun das die Leiter heute auch noch? Und die Gläubigen kritisierten nicht die Leiter, sondern beteten für sie (2.Thes 3,1–2; Eph 6,19).

Gemeinsam beten

Mein Gebetsleben ist der beste und klarste Indikator meiner Abhängigkeit von Gott – und das lebendige, geistgewirkte Gebetsleben der Gemeinde der Spiegel ihres wahrhaftigen geistlichen Zustands. In diesem Sinn ermutigen wir alle, an der neuen Gebetsbewegung des BFP teilzunehmen: „Wenn jede Gemeinde sich einen Gebetsabend im Jahr nimmt, um für dieses Anliegen („Gemeinsam Gemeinden bauen“) zu beten, können wir einen enormen Schub für die Gemeindegründungsbewegung erzeugen.“

Abschließend sei noch erwähnt, dass in der Urgemeinde nicht das Gebet die Einheit im Geist brachte, sondern sie sich im Gebet ausdrückte. Einheit im Leib Jesu ist ausschließlich auf der Grundlage des Wortes Gottes und durch den Heiligen Geist möglich – und bereits von Gott gegeben. Wir sollen uns befleißigen, „die Einheit des Geistes zu bewahren“ (Eph 4,3). Jede andere sogenannte „Einheit im Geist“ ist nicht vom Geist Gottes.

In diesem Sinne lasst uns auf das Drängen des Geistes eingehen und lernen, einen Lebensstil des Gebets zu führen.

Helmut Kühn

Helmut Kühn ist stellvertretender Bibelschulleiter im Glaubenszentrum und war zuvor 21 Jahre als Missionar in Chile tätig.